Fünf Gründe zur Vorsicht bei Net Promoter Score Benchmarks
Was ist ein guter NPS Score? Wie können wir einen Benchmark durchführen? Vorsicht ist geboten! Stichprobenumfang, Erhebungsform, Vollerhebung vs....
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Bei nahezu allen Kunden-NPS®-Projekten, in denen wir in der Beratung tätig sind, die operative Befragung abwickeln und gemeinsam mit dem Kunden im Nachgang einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess erarbeiten, kommt früher oder später immer diese eine Frage: „Was ist ein guter Net Promoter® Score?“ Oder „Haben wir einen guten Score?“
Wenn wir einen Blick auf alle NPS®-Projekte werfen, die wir in den letzten 15 Jahren umgesetzt haben, so schwanken die Werte zwischen – 31 bis + 92, also eine durchaus legitime Frage, oder? Und dieser Frage widme ich mich heute einmal etwas ausführlicher.
Diejenigen unter Euch, die mich besser kennen, wissen, dass ich ein sehr großes Fußball-Herz in mir trage, welches für den 1. FC Nürnberg schlägt. Ich bin durch und durch ein loyaler Fan, gehe ich doch seit mehr als 30 Jahren den steinigen Weg, den man als Club-Fan gehen muss – Bundesliga, 2. Liga, Regionalliga, 2. Liga, Bundesliga und nun wieder 2. Liga...
Von Zufriedenheit kann also nicht die Rede sein, trotzdem bin ich loyal. Daher besuche ich auch nahezu jedes Heimspiel und einige Auswärtsspiele. Um mich herum sind eine Vielzahl weiterer Fans und bei nahezu jedem Spiel ist es auffällig, wie unterschiedlich die Wahrnehmung der Zuschauer auf das jeweilige Spiel ist. Die einen sagen „Toll, die junge Truppe darf Fehler machen, weiter so – das ist eine Mannschaft für die Zukunft! Der Trainer macht alles richtig und baut Nachwuchsspieler ein", die anderen sagen „Unfassbar, so steigen wir nie auf, das ist doch alles Mist. Wir brauchen einen neuen Trainer und ein neues Management!“.
Was hat das nun mit dem Net Promoter® Score zu tun? Es ist einfach eine kleine und kurze Erinnerung für Dich, dass Du es auch als Unternehmen niemals allen Kunden recht machen kannst. Genau wie der Trainer und das Management des 1. FC Nürnberg es niemals jedem Einzelnen der sehr großen Fangemeinde recht machen können. Das Beste ist es daher, sich auf die Kundensegmente zu konzentrieren, die Du wirklich abholen und begeistern kannst.
So intensiv Du auch an Optimierungen arbeitest, Punkte/Themen aufgreifst, die Deine Kunden moniert haben – einige der passiv Zufriedenen und der Kritiker werden, egal was Du änderst, wahrscheinlich nie einen besseren Wert als eine 7 oder 8 geben. Und das darfst und sollst Du einfach auch akzeptieren.
Ich habe diesen Artikel zu schreiben begonnen, als ich letztes Jahr mit meiner Familie in San Diego war und für einen Inlandsflug die Southwest Airlines genutzt habe. Die Southwest Airlines ist nicht nur bekannt dafür, konsequent auf den Net Promoter® Score als Kennzahl für die Kundenloyalität zu setzen, vielmehr weist die Southwest Airlines auch einen sehr guten Score auf – seit Jahren ist dieser immer > 60, und damit ist Southwest Airlines ganz vorne dabei.
Ich habe den Flug genossen, extrem freundliches Bord-Personal, sehr locker, immer einen „Spruch auf den Lippen“ ohne dabei platt zu wirken. Trotzdem gibt es Fluggäste, die die Southwest Airline nicht favorisieren. Eventuell liegt es daran, dass sie keine Business- oder First Class buchen können, dies offeriert Southwest Airlines prinzipiell nicht. Dafür gibt es „Business Select“. Viele mögen wahrscheinlich auch diesen sehr persönlichen und lockeren Umgang nicht, welchen ich gerade so schätze.
Und natürlich würde sich Southwest Airlines wie jedes andere Unternehmen auch wünschen, dass sie einen Score von 100 hätten, aber es ist weder ein realistisches Ziel noch eine realistische Erwartung. Dies soll aber nicht so verstanden werden, dass sich Unternehmen nicht um die Kritiker kümmern sollten. Einige von ihnen sind offen und können durch entsprechende Maßnahmen relativ schnell und einfach zu einem Promotoren migriert werden. Andere dagegen werden niemals zu Promotoren, völlig egal was Du als Unternehmen für diesen Kunden tust. Deine Aufgabe liegt also darin, genau Erstere zu identifizieren.
Nun fragst Du Dich sicherlich wieder: Was ist nun eine gute Kennzahl? Wenn das Ziel nicht 100 ist, was dann? Macht es Sinn, einen oder mehrere der verfügbaren Benchmarks heranzuziehen, die man im Internet findet?
Auf die letzte Frage kann ich nur mit einem klaren „Nein“ antworten.
Ein Benchmark macht immer nur dann Sinn, wenn garantiert ist, dass alle Rahmenparameter bei der Befragung absolut identisch mit Deinen Rahmenparametern sind. Selbst kleine Abweichungen können zu großen Veränderungen führen.
Deswegen antworte ich immer, dass der eigentliche Score an sich gar nicht so wichtig ist, sondern dass Kunden vor allem auf sich selbst und ihre Kunden schauen sollten. Logisch ist eine negative Kennzahl schon ein gewisses Alarmsignal, sagt dieser doch aus, dass das Unternehmen mehr Kritiker als Promotoren hat, dies klingt nicht gerade danach, dass ein organisches Wachstum möglich ist, ganz im Gegenteil. Und natürlich ist ein Score von bspw. +70 ein herausragender Wert, aber sollte sich ein Unternehmen deswegen zum Beispiel mit Apple messen? Apple zählt seit Jahren zu den Net Promoter -Stars mit konstanten Werten um die +70.
Allerdings kenne ich keinen Kunden, der eine negative Kennzahl hat und diese Erwartung im Vorfeld nicht schon hatte. Ab und an ist für Kunden höchstens die Höhe der negativen Ausprägung überraschend. Der Score ist gerade bei der ersten Erhebung einfach nur eine Momentaufnahme, eine Standortbestimmung – und ob dieser -20 oder +60 ist, gibt zwar sicherlich Aufschlüsse, aber das Ziel sollte es für jedes Unternehmen sein, die Zahl durch eine gezielte Kundenzentrierung zu verbessern, beispielsweise 5 bis 10 Punkte binnen 12 Monaten, das ist realistisch.
Wobei auch dies wiederum von den identifizierten negativen Treibern abhängt. Hast Du durch Deine NPS®-Erhebung beispielsweise identifiziert, dass Dein Kundenservice das Ärgernis schlechthin ist, so ist das kein kurzfristiger Schnellläufer, den Du binnen drei Monaten spürbar verbessern kannst. Gegebenenfalls benötigen Du eine neue TK-/ACD-Lösung, alleine die Projektierung und die Installation dürfte für diese Lösung mindestens sechs Monate betragen. Dann musst Du ggf. auch noch das Team im Kundenservice aufstocken. Und bis dies alles für Deine Kunden spürbar wirksam wird, kann es bis zu 12 Monaten dauern.
Sollten Deine Kunden dagegen den Eindruck haben, dass Du Dich nicht um Deine Bestandskunden kümmerst, so kann binnen drei Monaten durchaus eine Lösung gefunden werden, die schnell messbare Auswirkungen zeigt. Nein, Du musst den Außendienst nicht aufstocken, oftmals ist es völlig ausreichend, ein professionelles Inside Account Management Team auf die Beine zu stellen. Ein Team, welches regelmäßig proaktiv Deine Bestandskunden telefonisch anspricht, wirkt immer wieder Wunder. Und wenn Du die Ressourcen hierfür intern nicht kurzfristig bereitstellen kannst, denke über ein zeitlich befristetes Outsourcing des Inside Account Managements nach. Professionelle Partner/Dienstleister können hier binnen kurzer Zeit entsprechende Lösungen für Dich umsetzen.
Für all diejenigen unter Euch, die allerdings eine klare Antwort auf die Frage „Was ist ein guter NPS®?“ erwarten, hier also mein persönliches Feedback:
Basierend auf den weltweiten NPS®-Standards ist jeder Score > 0 erst einmal grundsätzlich gut und jeder negative Score erst einmal grundsätzlich schlecht.
Kennzahlen > +50 sind als sehr gut einzustufen.
Alle Unternehmen, die eine Kennzahl > +70 haben, dürfen dies als einen absolut exzellenten Wert verstehen, der Standards setzt.
Hilft Dir dies aber nun wirklich weiter, was Deine tägliche Arbeit betrifft?
Und was würde es für Dich beispielsweise bedeuten, wenn Dein Score bei +20 liegt und der Durchschnitt Deiner Branche bei +5? Dies bedeutet, dass Du besser als der Durchschnitt bist, aber würdest Du deswegen aufhören, Dich verbessern zu wollen und die Wünsche und Stimmen der Kunden zu ignorieren?
Meine Empfehlung an Dich lautet: Schaue auf Dich und auf Deine Kunden. Konzentriere Dich auf die Kunden, bei denen die Wahrscheinlichkeit hoch ist, durch entsprechende Maßnahmen den Wert zu verbessern. Der Wert ist das Ergebnis Deiner Anstrengungen und Bemühungen, kundenzentriert zu agieren. Und wenn Du diese Strategie nachhaltig umsetzt und Dich auch von Enttäuschungen nicht aus der Bahn werfen lässt, wird die Kennzahl früher oder später nachziehen und steigen.
Happy customers
Philipp Moder
Kennst Du das Feedback Deiner unzufriedenen Kunden? Nutzt Du dieses, bevor es Deine Konkurrenz macht? Mehr dazu in unserem Blogbeitrag:
Bildquelle:
Adobe Stock / Jakub Jirsák
Philipp Moder, Gründer von Phocus Direct Communication, ist ein anerkannter Experte und Speaker im B2B-Vertrieb und Marketing, spezialisiert auf Vertriebsunterstützung/- outsourcing, Leadgenerierung, Inbound Marketing, Net Promoter Score und Customer Experience. Seit 1995 treibt er mit über 60 Mitarbeitern und Freelancern Innovationen voran, um B2B-Unternehmen zu messbarem Erfolg zu verhelfen. Seine Passion ist es, täglich Neues zu entdecken und sein Wissen durch Blogs, LinkedIn und auf Veranstaltungen zu teilen.
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