B2B-Vertrieb: Können Ingenieure verkaufen?
Ingenieure im Vertrieb und Marketing - oft belächelt, doch nie waren sie wertvoller! Erfahre, warum technisch versierte Mitarbeiter heute...
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29.08.2016 | Philipp Moder
Kundenloyalität messen - aber wie? NPS®, Wiederkaufrate, Upsell-Rate, Customer Loyalty Index oder Customer Engagement Rate? Erfahre, welche Methoden sich bewährt haben und was deren Vor- und Nachteile sind.
Das Wichtigste zuerst: Kundenloyalität und Kundenzufriedenheit sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Während die Kundenzufriedenheit immer eine vergangenheitsorientierte Bewertung darstellt, zielt die Kundenloyalität auf die zukünftige Wiederkaufsabsicht eines Kunden ab. Das Gute ist, beide – Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität - können gemessen werden. Das Beste für Dich als Verantwortlichen ist, tatsächlich auch beide Werte zu erheben. Im nachstehenden Artikel stelle ich jedoch explizit auf die Messung der Kundenloyalität ab und möchte Dich mit fünf verschiedenen Methoden bekannt machen, die Du dafür verwenden kannst.
In vielen Kundengesprächen gewinne ich den Eindruck, dass die wirtschaftliche Bedeutung der Kundenloyalität vielen Verantwortlichen gar nicht so richtig bewusst ist. Gerade in den Vertriebsabteilungen gilt immer noch (zu) oft die Prämisse Neukunden, Neukunden und Neukunden.
Dabei sind loyale Kunden die Basis für ein organisches Wachstum, denn:
Loyale Kunden sind weniger preissensitiv.
Loyale Kunden empfehlen aktiv weiter und senken dadurch signifikant die „Kosten pro Neukunde“.
Die Erhöhung des „Share of Wallet“ gelingt bei loyalen Kunden wesentlich einfacher.
Loyale Kunden weisen in der Regel eine bessere Zahlungsmoral auf.
Loyale Kunden erkennst Du an den unterschiedlichsten Ausprägungen:
Sie empfehlen Dich aktiv an Freunde, Bekannte und Geschäftskollegen weiter.
Sie kaufen bei Dir, solange sie Bedarf an diesem Produkt bzw. dieser Leistung haben.
Sie suchen nicht aktiv nach alternativen Lieferanten zu Deinem Unternehmen.
Sie erliegen nicht dem „Werben Deines Mitbewerbs“.
Sie sind offen, mehrere Produkte oder Dienstleistungen Deines Unternehmens in Anspruch zu nehmen.
Sie tolerieren auftauchende Probleme und geben Dir auf Grund eines hohen Vertrauens auch die Zeit, diese zu lösen.
Sie geben Dir Feedback, wie Du Deine Produkte oder Dienstleistungen weiter verbessern kannst.
Die Kundenloyalität ist immer eng verknüpft mit dem Grund, warum Dein Kunde kauft. Es gibt keine „unbegründete“ Loyalität. Einige Beispiele verdeutlichen dies:
Kauft der Kunde bei Dir aufgrund einer intensiven Beziehung zu einem Deiner Vertriebsmitarbeiter, wird er bei Dir kaufen, solange der Vertriebsmitarbeiter bei Dir auf der Gehaltsliste steht.
Kauft der Kunde, weil Du der günstigste Anbieter bist, wird er so lange bei Dir kaufen, bis ein anderer Lieferant ein günstigeres Angebot macht.
Kauft der Kunde bei Dir, weil er eine emotionale Bindung zu Deiner Unternehmensphilosophie hat und es „einem höheren Ziel dient“, wird er so lange bei Dir kaufen, solange Du an dieser Positionierung und Philosophie festhältst.
Von all diesen Gründen ist der Grund „günstigster Anbieter“ der „weichste und schwächste“. Wenn der Preis der einzige Grund ist, dann ist dies ein Indikator, dass es sich um eine rein rationale Geschäftsbeziehung handelt, und dass diese Beziehung zu Ende ist, sobald ein günstigerer Anbieter um die Ecke kommt. Eine wirklich loyale Geschäftsbeziehung basiert auf Emotionen und trotzt dem Rationalismus.
Und jetzt lass uns doch einmal kurz fünf Methoden zur Messung der Kundenloyalität durchleuchten.
Der erste Schritt, um loyale Kunden entwickeln zu können, ist das Messen, denn dadurch wird es erst möglich zu vergleichen, zu verbessern und Ziele zu setzen.
Eine der jüngsten und trotzdem erfolgreichsten Methodiken ist der von Fred Reichheld entwickelte Net Promoter® Score. Der Net Promoter® Score ist eine Methodik, die konsequent auf die Weiterempfehlungsbereitschaft abstellt.
Nach der strengen NPS®-Lehre werden dem Kunden nur zwei Fragen gestellt.
Frage 1: Mit welcher Wahrscheinlichkeit würden Sie Unternehmen XY einem Geschäftspartner, Kollegen oder Bekannten weiterempfehlen?
Der Kunde bewertet auf einer Skala von 0 bis 10. Daraus resultieren drei verschiedene Kundenkategorien:
Promotoren: Darunter fallen Kunden, die mit 9 oder 10 bewertet haben. Was früher die „Groupies“ von Rock 'n' Roll Bands waren, sind heute die Promotoren von Firmen. Diese Kunden zeichnen sich durch eine hohe Wiederkaufsabsicht und Weiterempfehlungsbereitschaft aus. Das schönste Beispiel, wenn auch nur bedingt B2B-geeignet, sind die Apple-Kunden, die vor dem Apple-Store übernachten, um am nächsten Morgen unter den Ersten zu sein, die das neue iPhone o.ä. in den Händen halten.
Passive: Kunden, die mit 7 oder 8 bewerten, werden als „Passive“ bezeichnet. Sie sind zufrieden, suchen nicht aktiv nach Alternativen, sind aber eben noch nicht so „angefixt“, dass sie aktiv weiterempfehlen. Ob sie aber dem intensiven Werben einer Deiner Mitbewerber standhalten, ist unwahrscheinlich.
Kritiker: Kunden, die mit 6 oder niedriger bewerten, werden als „Kritiker“ bezeichnet. Sie werden Dich nicht weiterempfehlen und werden mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht mehr bei Dir kaufen. Vielmehr stellen diese Kunden diejenigen dar, die sich im Kollegen- und Bekanntenkreis negativ über Dein Unternehmen äußern.
Frage 2: Je nachdem, welchen Score der Kunde in Frage 1 abgegeben hat, unterscheidet sich die Folgefrage leicht.
Folgefrage Promotoren: Was sind Gründe für diese tolle Bewertung?
Eine offene Frage, die dazu dient, die positiven Treiber für Dein Unternehmen zu identifizieren.
Folgefrage Passive: Was muss Unternehmen XY zukünftig tun, damit Sie Unternehmen XY zukünftig uneingeschränkt weiterempfehlen können?
Wieder eine offene Frage, die der Identifizierung von Optimierungspotenzialen dient.
Folgefrage Kritiker: Was muss Unternehmen XY ändern, damit Sie Unternehmen XY zukünftig weiterempfehlen würden?
Sehr nah an der Folgefrage für die Passiven, es geht darum, die maßgeblichen negativen Treiber zu identifizieren und dementsprechend Handlungsableitungen treffen zu können.
Der Score an sich errechnet sich, in dem Du den Prozentsatz der Kritiker von dem Prozentsatz der Promotoren abziehst, Passive werden bei der Berechnung des Scores nicht berücksichtigt. Ist die Grundgesamtheit der Befragten also bspw. 1.000 Kunden und Du hast 400 Promotoren, 350 Passive und 250 Kritiker, so ist der Net Promoter® Score also +15.
Der NPS® ist eine starke, mächtige Metrik und Methodik, er ist einfach zu erheben, ohne an Belastbarkeit zu verlieren, denn er basiert auf der Weiterempfehlungsbereitschaft. Jeder Mensch wird nur dann weiterempfehlen, wenn er zu 100 % hinter dem Unternehmen oder dem Produkt steht, denn es geht am Ende des Tages um die eigene Glaubwürdigkeit. Auch wenn ich bekanntermaßen ein großer Verfechter des NPS® bin, so ist meine Empfehlung, den NPS® immer mit einigen wenigen weiteren Fragestellungen zu kombinieren, die Reduktion auf diese beiden Frage ist mir persönlich zu gefährlich.
Auch eine sehr einfache Metrik, denn hier wird schlichtweg gemessen, wie viele Kunden wiederholt bei Dir gekauft haben und wie viele Kunden nur „Einmaltäter“ waren/sind. Da der Kauf, die Investition in Dein Produkt, sicher den absoluten Kern einer Geschäftsbeziehung darstellt, ist dies sicherlich auch eine denkbare Vorgehensweise.
Hast Du also bspw. 1.000 Kunden und 670 Kunden haben mehr als einmal gekauft, ist die Wiederkaufrate 67 %.
Kritisch erachte ich diese Methodik bei Investitionsgütern mit einem langen Lebenszyklus, da hier der Wiederkauf per se erst nach vielen Jahren erfolgt, was im Umkehrschluss bedeutet, dass Du extrem lange Betrachtungszeiträume anwenden musst, um belastbare Aussagen zu erhalten.
Ein weiterer Punkt ist, dass diese Metrik wiederum rein vergangenheitsorientiert ist und keinen Blick in die Zukunft wirft.
Hinzu kommt, dass es Branchen gibt, in denen der Wechsel eines Lieferanten mit derart hohem Aufwand verbunden ist, dass Kunden diesen Wechsel einfach scheuen. Wäre der Wechselaufwand geringer, würde dies allerdings hohen Einfluss auf die Wiederkaufrate haben – daher ist dies in meiner Wahrnehmung kein objektiver Wert für die Loyalität. Klassische Beispiele sind für mich hier ERP- oder CRM-Systeme. Diese Systeme sind im Herzen der Unternehmen verankert. Der Wechsel eines dieser Systeme ist mit derartigen Aufwänden verbunden, dass viele Unternehmen einen Wechsel scheuen, obwohl sie alles andere als zufrieden oder gar loyal sind. Sie würden diese Systeme nie mehr kaufen und keinesfalls weiterempfehlen, sind aber gezwungen, neue Releases, zusätzliche Module u.ä. von dem bestehenden Anbieter zu kaufen.
Diese Quote misst die Rate von Kunden, die mehr als ein Produkt oder mehr als eine Dienstleistung in Anspruch genommen haben. Dies mag auf den ersten Blick ähnlich wie die Wiederkaufrate klingen, ist es aber nicht, da es konkret auf den Bezug verschiedener Produkte oder Dienstleistungen abstellt. Der Kauf eines neuen Produktes, welches nichts mit dem Kauf des ersten Produktes zu tun hat, ist ein Beweis dafür, dass es sich um einen loyalen Kunden handelt.
Lass mich das gerne wieder an dem vorherigen Beispiel einer CRM-Software verdeutlichen. Viele CRM-Anbieter offerieren zwischenzeitlich auch Lösungen für angrenzende Bereiche wie E-Mail-Marketing, Marketing-Automation u.ä. Ist der Kunde mit der CRM-Lösung wirklich zufrieden, dann ist die Wahrscheinlichkeit extrem hoch, dass er auch die E-Mail-Marketing-Lösung oder die Marketing-Automations-Technologie des Anbieters nutzt, das ist ein konkreter Upsell. Ist er dagegen unzufrieden und nutzt das System nur aufgrund der hohen Wechselaufwendungen, so wird er sich mit genauso hoher Wahrscheinlichkeit für die Technologie eines anderen Anbieters entscheiden. Die Integrationsaufwendungen verschiedener Technologien sind heute oftmals überschaubar und stellen daher keinen Hinderungsgrund dar, für diese Teilbereiche auf einen anderen Hersteller zu setzen.
Rechnerisch ist die Upsell-Rate sehr einfach zu ermitteln: Du dividierst die Anzahl der Kunden, die mehrere Produkte nutzen durch die Anzahl der Gesamtkunden. Angenommen Du hast einen Kundenbestand von 500 Kunden und 200 Kunden nutzen mehrere Produkte/Service, 300 nutzen nur ein Produkt/einen Service, so liegt die Quote bei 40 %. Aus meiner Sicht eine äußerst pragmatische Methode, die allerdings keinerlei Rückschlüsse auf positive und negative Treiber zulässt.
Der CLI ist ein weiterer Ansatz, der die Kundenloyalität misst und NPS®, Wiederkaufsrate und Upsell-Rate sozusagen in einem vereint. Beim CLI wird eine Sechser-Skala verwendet, wobei die 1 für „Definitiv/Absolut/Sehr hoch“ und die 6 für „Keinesfalls“ steht.
Folgender Aufbau liegt dem CLI zu Grunde:
Mit welcher Wahrscheinlichkeit würden Sie Unternehmen XY einem Geschäftspartner, Kollegen oder Bekannten weiter empfehlen?
Mit welcher Wahrscheinlichkeit werden Sie auch zukünftig Produkte/Dienstleistungen von Unternehmen XY beziehen?
Wie hoch ist Ihre Bereitschaft, auch andere, bis dato noch nicht bezogene Produkte/ Dienstleistungen von Unternehmen XY in Anspruch zu nehmen?
Auf der Sechserskala werden die einzelnen Bewertungen mit festen Werten versehen:
1 = 100 Punkte
2 = 80 Punkte
3 = 60 Punkte
4 = 40 Punkte
5 = 20 Punkte
6 = 0 Punkte
Der CLI-Score ist der Durchschnittswert aus den drei Antworten. Sollte der Score aus Frage 1 also 50 sein, der Score aus Frage 2 70 und der Score aus Frage 3 80, so beträgt der CLI also gerundet 67.
Ein durchaus gelungener Ansatz, lediglich die Abwandlung der ursprünglichen 11er-NPS®-Skala auf eine 6er-Skala trübt den Eindruck, da hierdurch kein wirklicher NPS® erhoben wird, und die klassische Kundenkategorisierung à la NPS® nicht greift und möglich ist.
„Customer Engagement Rate“ entspringt der Feder von Curtis N. Bingham, dem Gründer und Vorstandsvorsitzenden des CCO Council, Seattle. Das CCO Council ist die erste Organisation, die sich speziell den Themen der CCOs (Chief Customer Officers) annimmt. Curtins Binham stellt darauf ab, dass das Customer Engagement der beste Indikator für Kundenloyalität ist. Bingham argumentiert, dass das Customer Engagement im Vergleich zum NPS® und CLI einfacher zu messen und besser beeinflussbar ist. Darüber hinaus stellt Bingham auf eine höhere Korrelation zu Umsatz und Ertrag ab, als es die anderen Metriken zeigen.
Dieser Ansatz unterstellt, dass Kundenloyalität das Resultat von positiven Interaktionen und Erfahrungen eines Kunden mit einer Marke/Unternehmen ist. Dieser stark emotional getriebene Ansatz stützt sich also auf die These, dass eine hohe emotionale Bindung Kunden vor Abwerbeversuchen anderer Anbieter schützt, die Basis für Wiederholungskäufe darstellt, die Preissensibilität reduziert und zu Weiterempfehlungen führt. Das klingt zunächst einmal gut und nachvollziehbar.
Die Herausforderung bei diesem Ansatz besteht eher darin, dass es natürlich keine allgemein gültigen Metriken für das Customer Engagement gibt, diese muss jedes Unternehmen – mehr oder weniger – für sich selbst entwickeln. Während es für online-basierte Geschäftsmodelle relativ einfach ist, eine entsprechende Metrik zu entwickeln, stellt sich dies für Segmente wie Maschinenbau, Dienstleister u.v.a. als eine nicht zu unterschätzende Herausforderung und Aufgabe dar.
Mein persönliches Fazit zu den fünf oben genannten Methoden lautet wie folgt:
Net Promoter® Score (NPS®): Ist schnell und leicht implementierbar, einfach zu erheben, liefert belastbare Resultate, ist zukunftsorientiert. Er sollte lediglich um einige weitere Fragen erweitert werden.
Wiederkaufrate: Alleinstehend eine eher ungeeignete Metrik, da nur vergangenheitsorientiert und ggf. lange Betrachtungszeiträume notwendig, um Aussagen treffen zu können. Wechselbarrieren lassen ein „Schönreden“ zu.
Upsell Rate: Alleinstehend ebenfalls eher ungeeignet, meiner Ansicht nach aber immer noch aussagefähiger als die Wiederkaufrate.
Customer Loyalty Index (CLI): Gemeinsam mit dem NPS® mein persönlicher Favorit. Die Kombination der drei Werte macht Sinn, lediglich die „Verfälschung“ der klassischen NPS®-Skala betrachte ich etwas kritisch.
Customer Engagement Rate (CER): Interessanter Ansatz, alleinstehend für mich allerdings nur bedingt aussagekräftig, schwierig für „offline“ Produkte und Services. Allerdings wäre es eine Überlegung wert, die CER mit dem NPS® oder dem CLI zu kombinieren.
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Philipp Moder
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Philipp Moder, Gründer von Phocus Direct Communication, ist ein anerkannter Experte und Speaker im B2B-Vertrieb und Marketing, spezialisiert auf Vertriebsunterstützung/- outsourcing, Leadgenerierung, Inbound Marketing, Net Promoter Score und Customer Experience. Seit 1995 treibt er mit über 60 Mitarbeitern und Freelancern Innovationen voran, um B2B-Unternehmen zu messbarem Erfolg zu verhelfen. Seine Passion ist es, täglich Neues zu entdecken und sein Wissen durch Blogs, LinkedIn und auf Veranstaltungen zu teilen.
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