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Kleinkundenbetreuung: Wie aus C-Kunden A-Umsätze werden

Kleinkundenbetreuung: Wie aus C-Kunden A-Umsätze werden

 

Wie viel Umsatzpotenzial lassen Sie gerade bei Ihren C-Kunden liegen? Während sich viele B2B-Unternehmen fast ausschließlich auf ihre Top-Kunden konzentrieren, verpassen sie eine entscheidende Chance: Systematische Kleinkundenbetreuung kann in nur 12 Monaten Umsätze um 20 bis 240 % steigern, das haben von uns betreute Projekte in diesem Bereich gezeigt. Lesen Sie in diesem Blogartikel, warum sich die Investition in Ihre kleineren Kunden lohnt und wie Sie Schritt für Schritt ein profitables Kleinkundenmanagement aufbauen.

Warum rechnet sich Kleinkundenbetreuung? 

Viele Vertriebsleiter kennen das Dilemma: Der Außendienst konzentriert sich auf die umsatzstarken A-Kunden, während die C-Kunden mehr oder weniger sich selbst überlassen bleiben. Diese Fokussierung erscheint logisch – schließlich gilt oft das Pareto-Prinzip, wonach 20 % der Kunden für 80 % des Umsatzes sorgen. Doch genau hier liegt der Denkfehler.

1. Das Potenzial-Paradox: Warum die Bewertung nach Ist-Umsatz zu kurz greift

Stellen Sie sich vor, Sie hätten vor zehn Jahren ein kleines Software-Start-up als C-Kunden eingestuft und vernachlässigt. Heute könnte dieses Unternehmen ein börsennotierter Technologieführer sein. Das Problem: Die meisten Unternehmen kategorisieren ihre Kunden nach aktuellem Umsatz statt nach Potenzial. 

Dabei geht es nicht nur um zukünftiges Wachstum: Oft haben vermeintliche C-Kunden bereits heute enormes ungenutztes Potenzial – sie kaufen bei Ihnen für 5.000 Euro im Jahr, decken aber ihren Gesamtbedarf von 80.000 Euro bei Wettbewerbern.

Deshalb lohnt es sich, mit einer systematischen Analyse „versteckte Champions", also Unternehmen mit hohem Wachstumspotenzial – heute und in Zukunft – zu identifizieren. Solche Analysen zeigen immer wieder: Viele vermeintliche C-Kunden haben das Potenzial, sich zu wertvollen Partnern zu entwickeln.

2. Zahlen, die überzeugen: Der ROI systematischer C-Kunden-Betreuung

Unsere Erfahrung aus über 20 Projekten in diesem Bereich zeigt, dass sich der Einsatz für C-Kunden lohnt:

  • 20 bis 240 % Umsatzsteigerung innerhalb der ersten 12 Monate
  • 12 bis 18 % der Kleinkunden werden „hoch migriert" und entwickeln sich zu größeren Kunden
  • 8 bis 15% werden wieder zu Kleinkunden - das sind ehemalige Großkunden, deren Umsätze zurückgehen

Diese Zahlen sind kein Zufall. Kleinkunden haben oft einen höheren Bedarf an Beratung und Unterstützung. Bekommen sie diese, steigt ihre Loyalität überproportional. 

3. Risikominimierung durch Diversifikation: Wenn Großkunden wegbrechen

Erinnern Sie sich an Namen wie Schlecker, Praktiker oder Air Berlin? Alles ehemalige Großkunden vieler Lieferanten. Jedes Unternehmen verliert durchschnittlich 5 bis 15 % seiner Kunden pro Jahr – und das betrifft nicht nur Kleinkunden. Wer sich ausschließlich auf wenige Großkunden verlässt, geht ein hohes Risiko ein.

Eine diversifizierte Kundenbasis mit vielen gut betreuten Kleinkunden wirkt wie eine Versicherung. Wenn ein Großkunde wegbricht, können viele kleine Kunden den Verlust abfedern. Unternehmen, die rechtzeitig mit systematischer Kleinkundenbetreuung beginnen, sind deutlich krisenfester aufgestellt.

 

Welche Strategien gibt es für Kleinkunden?

„Für C-Kunden braucht es A-Leute mit A-Lösungen!" – dieser Satz von Prof. Dr. Christian Belz (ehem. Geschäftsführer des Instituts für Marketing, St. Gallen) aus seinem Buch „Marketing gegen den Strom” bringt es auf den Punkt. Erfolgreiches Kleinkundenmanagement bedeutet nicht, minderwertige Leistungen für kleine Kunden anzubieten. Es geht darum, intelligente, skalierbare Lösungen zu entwickeln, die sowohl für Sie als auch für Ihre Kunden profitabel sind.

Bevor Sie mit dem Kleinkundenmanagement starten, sollten Sie sich grundlegend zwischen zwei Strategien entscheiden: 

Die Rückzugsstrategie: Effizienz durch Fokussierung

Die Rückzugsstrategie eignet sich für Unternehmen, die ihre Ressourcen auf die profitabelsten Kleinkunden konzentrieren wollen. Kern dieser Strategie ist die bewusste Selektion: Nicht alle C-Kunden werden gleich behandelt, sondern es bekommen nur die mit echtem Entwicklungspotenzial Aufmerksamkeit. Die Betreuung erfolgt standardisiert über digitale Kanäle, persönlicher Kontakt wird auf ein Minimum reduziert.

Kennzeichen der Rückzugsstrategie:

  • Strenge Selektion: Nur entwicklungsfähige Kleinkunden werden aktiv betreut
  • Standardisiertes Produkt- und Serviceportfolio ohne Sonderleistungen
  • Feste Listenpreise ohne Verhandlungsspielraum oder Rabatte
  • Bearbeitung primär über kostengünstige digitale Kanäle (Online-Shop, E-Mail, Chatbot)
  • Klare Mindestbestellwerte und Servicegebühren für Zusatzleistungen

Praxisbeispiel Rückzugsstrategie: Ein Hersteller von Industriekomponenten hat über 3.000 Kleinkunden, die nur 15 % zum Umsatz beitragen, aber 40 % der Serviceressourcen binden. Das Unternehmen führt eine strikte ABC-Analyse durch und identifizierte 500 Kleinkunden mit Wachstumspotenzial. Nur diese erhalten weiterhin aktive Betreuung – ausschließlich über einen neuen B2B-Onlineshop mit standardisierten Produkten und Self-Service-Portal. Kunden mit Bestellwerten unter 500 Euro werden auf den reinen Online-Kanal verwiesen. Durch diese Maßnahmen gibt es weniger Serviceaufwand bei gleichbleibendem Umsatz und die freigewordenen Ressourcen können für die Betreuung der Potenzialträger eingesetzt werden.

 

Die Vorwärtsstrategie: Wachstum durch Investition

Die Vorwärtsstrategie sieht Kleinkunden als Investition in die Zukunft. Statt sich zurückzuziehen, wird das Kleinkundensegment aktiv ausgebaut – mit speziellen Angeboten, die genau auf die Bedürfnisse kleinerer Unternehmen zugeschnitten sind. Das Ziel: Aus vielen kleinen Kunden sollen mittelfristig große werden.

Kennzeichen der Vorwärtsstrategie:

  • Aktive Neukundengewinnung im Kleinkundensegment
  • Entwicklung spezieller Produkte und Services für kleine Unternehmen
  • Flexible Preismodelle, die mit dem Kunden mitwachsen
  • Mix aus digitalen Tools und persönlicher Betreuung
  • Investition in Kundenerfolg und -entwicklung

Praxisbeispiel Vorwärtsstrategie: Ein technischer Großhändler mit über 8.000 Kunden erkennt, dass viele seiner Kleinkunden – hauptsächlich Handwerksbetriebe und kleine Industrieunternehmen – nur Standardprodukte in geringen Mengen bestellten. Das Unternehmen entwickelt deshalb spezielle "Profi-Starter-Pakete" mit attraktiven Konditionen: vorkonfigurierte Werkzeug-Sets, digitale Bestellsysteme mit automatischer Nachbestellung häufig genutzter Verbrauchsmaterialien und quartalsweise Produktschulungen. Zusätzlich wird ein spezialisiertes Kleinkundenteam aufgebaut, das diese Kunden proaktiv zu neuen Produktkategorien berät und bei der Prozessoptimierung unterstützt. 

Solche Ansätze führen häufig dazu, dass aus reinen Gelegenheitskäufern regelmäßige Besteller werden und sich das Sortiment, das sie beim Großhändler kaufen, deutlich erweitert.

 

Der digitale Hebel: Wie Marketing-Automation Ihr Kleinkundenmanagement revolutioniert

Ohne Technologie ist profitables Kleinkundenmanagement heute nicht mehr möglich. Aber es geht nicht darum, den persönlichen Kontakt zu ersetzen – sondern ihn gezielt dort einzusetzen, wo er den größten Wert schafft.

Zum Beispiel können Sie Standardanfragen automatisiert, während komplexe technische Fragen direkt an Spezialisten weitergeleitet werden. Solche Ansätze können den Arbeitsaufwand deutlich reduzieren und gleichzeitig die Kundenzufriedenheit steigern.

Die wichtigsten Automatisierungshebel im Überblick:

  • Lead-Scoring: Automatische Bewertung des Kundenpotenzials
  • E-Mail-Sequenzen: Personalisierte Nachfass-Kampagnen ohne manuellen Aufwand
  • Trigger-basierte Aktionen: Automatische Reaktion auf Kundenverhalten
  • Self-Service-Portale: Kunden bedienen sich selbst bei Routine-Themen

Vom reaktiven Innendienst zum proaktiven Inside-Sales

Die größte Veränderung betrifft oft die Rolle Ihres Innendienstes. Statt nur auf eingehende Anfragen zu reagieren, wird er zum aktiven Gestalter der Kundenbeziehung. Zum Beispiel können Sie Ihren Innendienst so umstrukturieren, dass jeder Mitarbeiter eine definierte Anzahl Kleinkunden proaktiv betreut. Strukturierte Check-in-Calls, unterstützt durch automatisierte Analysen des Kaufverhaltens, können die Cross-Selling-Quote und Kundenbindungsrate signifikant steigern.

 

3 Fragen an Philipp Moder, Geschäftsführer Phocus Direct: Wie telefonische C-Kunden-Betreuung wirklich funktioniert 

1. Philipp, was sind aus deiner Erfahrung die Hauptgründe, warum Unternehmen bei der Kleinkundenbetreuung scheitern?

Philipp Moder: Das Paradoxe ist: Kleinkunden sind hochprofitabel. Der Deckungsbeitrag ist oft viel höher als bei Großkunden, die jeden Prozentpunkt rauspressen. Trotzdem scheitern viele Unternehmen, weil sie keine profitablen Prozesse haben. Der Außendienst fährt zwei-, dreimal im Jahr hin – und hat den Deckungsbeitrag schon verbrannt.

Der größte Fehler ist aber der Reflex, den bestehenden Innendienst zum proaktiven Inside Sales umbauen zu wollen. Mitarbeiter, die 20 Jahre lang Faxe und E-Mails bearbeitet haben, sollen plötzlich täglich 30 Firmen anrufen? Ich kenne kein Unternehmen, wo das funktioniert hat. 

2. Wenn der interne Umbau so oft scheitert, dann macht Outsourcing sicher für viele Firmen Sinn. In welchen Situationen würdest du das besonders empfehlen?

Genau, für die meisten Unternehmen ist Outsourcing tatsächlich der sinnvollere Weg. Es ist eine klassische Make-or-Buy-Entscheidung. Intern funktioniert es nur mit einem komplett neuen Team – den alten Innendienst lassen Sie in Ruhe. Die Alternative ist externes Outsourcing.

Der Gedanke „Wir haben einen Innendienst, der soll das jetzt machen" ist zu 100 % zum Scheitern verurteilt. Ich kann dutzende Beispiele nennen, wo das schiefgegangen ist.

3. Wie geht Phocus Direct konkret vor, wenn ein Unternehmen mit der systematischen Kleinkundenbetreuung starten möchte?

Zuerst analysieren wir die Daten. Stimmt die ABCD-Klassifizierung überhaupt? 12 bis 18 % der sogenannten C-Kunden sind in Wirklichkeit versteckte A-Kunden. Sie decken nur einen Bruchteil ihres Bedarfs bei unseren Kunden und kaufen den Rest woanders.

Ein Beispiel: Ein Kunde kauft Schrauben für 5.000 Euro im Jahr, hat aber einen Gesamtbedarf von 80.000 Euro. Die 75.000 lässt er woanders. Unser Ziel muss sein, diesen Anteil zu erhöhen.

Wichtig: Kleinkundenmanagement ist die smarte Kombination aus Marketing-Automation und gezielten Anrufen. Bei 400 Euro Deckungsbeitrag pro Jahr können Sie nicht dauernd anrufen – dann ist die Marge weg. Die Automation zeigt, wann ein Anruf wirklich Sinn macht.

 

 


Philipp Moder

Philipp Moder, Gründer von Phocus Direct Communication, ist ein anerkannter Experte und Speaker im B2B-Vertrieb und Marketing, spezialisiert auf Vertriebsunterstützung/- outsourcing, Leadgenerierung, Inbound Marketing, Net Promoter Score und Customer Experience. Seit 1995 treibt er mit über 60 Mitarbeitern und Freelancern Innovationen voran, um B2B-Unternehmen zu messbarem Erfolg zu verhelfen. Seine Passion ist es, täglich Neues zu entdecken und sein Wissen durch Blogs, LinkedIn und auf Veranstaltungen zu teilen.

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